BannerbildBannerbildBannerbildBannerbildBannerbildGemeinschaftswerk Nachhaltigkeit
Link zur Seite versenden   Druckansicht öffnen
 

Kommunale Selbstverwaltung, lokale Demokratie und Bürgerbeteiligung: Position der Arbeitsgemeinschaft Lebendige Dörfer - Brandenburg 21 e.V. Verein zur Förderung der nachhaltigen Lokal- und Regi

Kommunale Selbstverwaltung, lokale Demokratie und Bürgerbeteiligung

Position der Arbeitsgemeinschaft Lebendige Dörfer - Brandenburg 21 e.V. Verein  zur Förderung der  nachhaltigen Lokal- und Regionalentwicklung im Land Brandenburg

 

Diskussionsgrundlage bei der Veranstaltung zum Themenjahr Dorf am                 

Fr., 20.06. 14-19 Uhr Bürgersaal Vetschau im Spreewald

in der August-Bebel-Straße 9, Fußläufig vom Bahnhof

Landesnachhaltigkeitsstrategie: Dorf heißt Zukunft, Tag der Dörfer nachbetrachtet

 

Die zentrale Bedeutung der lokalen Demokratie

In der Bundesrepublik Deutschland ist die kommunale Selbstverwaltung Grundlage der demokratischen Staatsorganisation. Durch Artikel 28 Absatz 2 im Grundgesetz ist diese institutionell garantiert. Die Gemeinden sind durch ihren Anspruch auf Selbstverwaltung berechtigt und beauftragt, durch gewählte Organe aus ihrer Bürgerschaft heraus die örtlichen Angelegenheiten zu erledigen. Einschränkt werden diese Rechte nur durch Landes- und Bundesgesetze. Des Weiteren muss die Gemeinde neben den freiwilligen auch Pflichtaufgaben der höheren Verwaltungsebenen umsetzen, was zu großen finanziellen Belastungen führen kann.

 

Ein Grundsatz ist es, die Bürger und Bürgerinnen möglichst umfassend an den Entscheidungen der kommunalen Verwaltung zu beteiligen. Der Deutsche Städtetag bezeichnet zum Beispiel in seinem Papier vom 7.11.2013 die Bürgerbeteiligung  als  den „Kern der kommunalen Selbstverwaltung„.

 

In den neuen Bundesländern ist es besonders wichtig, dass demokratische Gestaltungsfähigkeit auf der dörflichen Ebene erlebt und gelebt werden kann. Viele Menschen haben hier vereinigungsbedingt ihren Arbeitsplatz verloren und sind besonders in den peripheren ländlichen Regionen immensen Umbruchssituationen ausgesetzt. Die Parteien und politischen Verantwortlichen sind daher aufgefordert, verloren gegangenes Vertrauen in den demokratischen Staat und die willkommene und ergebnisreiche Mitwirkungsmöglichkeit der Bürgerschaft durch eine offensive Beteiligungs- und Demokratiepolitik zurückzugewinnen!

 

Fehler bei der Ortsteilpolitik

Der Kommentator der Brandenburgischen Kommunalverfassung, Professor Götz Meder, beschreibt in seiner sehr kritischen Einführung zum Gesetzestext die Rechte der Ortsteile folgendermaßen:

„Die Bildung von Ortsteilen ist eine räumliche Gliederung der Gemeinde. Ortsbeirat und Ortsvorsteher sind vom Gesetzgeber eingerichtet worden, um einen Ersatz für den Verlust von Entscheidungsbefugnis [infolge Eingemeindung und Gemeindezusammenschlüsse] anzubieten.

 

Über die Bedeutungslosigkeit der Betätigung kann die umständliche Regelung des Gesetzes nicht hinwegtäuschen. Der Ortsbeirat darf seine Meinung sagen (§ 46 Abs. 1 KV), wie übrigens jeder Einwohner, der das 16. Lebensjahr vollendet hat (§ 14 Abs. 1 KV). Er darf sich mit der Pflege von Badestellen im Ortsteil und ähnlich Bedeutungslosem beschäftigen (§ 46 Abs. 3 KV). Der Ortsvorsteher darf sich  als Gast zu den Sitzungen der Gemeindevertretung einladen (§ 47 KV).Er darf dort „aktiv teilnehmen“, was immer das heißen mag. Abstimmen darf er jedenfalls nicht, und mehr ist für Ortsbeirat und Ortsvorsteher nicht abgefallen.“ (Götz Meder. 2008. Kommunalverfassung des Landes Brandenburg, S. 31).

 

Die Regelungen für die Ortsteile sind auch im Hinblick auf das Erleben des politischen Gemeinwesens bedenklich. Bürgerinnen und Bürgern wird durch ihre eingeschränkten Mitbestimmungsmöglichkeiten die Chance und das Angebot verwehrt, ihre im Grundgesetz verankerten kommunalen und demokratischen Selbstverwaltungsrechte wahrzunehmen.

 

Zusammenhang von Ortsdemokratie und Bürgerengagement

Darüber hinaus korrelieren formelle lokale Mitbestimmung und informelle Beteiligungsformen, wie bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt. Je informierter die Bürgerschaft über die örtlichen Gegebenheiten und Entscheidungsabläufe ist, desto höher ist auch die Bereitschaft sich bürgerschaftlich zu engagieren und organisieren. Wo Menschen sich von der Politik verlassen und abgehängt fühlen, da sind sie auch weniger bereit, an der Gestaltung ihres Umfelds mitzuwirken. Das wirkt sich besonders negativ auf periphere Regionen aus, in denen eine zumutbare Mitarbeit zur Schließung von Versorgungslücken notwendig ist.

 

Hier ist Engagement Not- und Selbsthilfe, wenn sich die Zustände vor Ort krisenhaft verschlechtern.

Es ist angesichts des demographischen Wandels und der Verminderung der Landesfinanzen unverständlich, dass auf das Potenzial des bürgerschaftlichen Engagements im peripheren ländlichen Raum verzichtet  bzw. es aufgrund von mangelnder Anerkennung und Unterstützung nicht ausgeschöpft wird.

 

Chance des Bürgerengagements und der Unterstützungsbedarf

Um das Laienpotenzial zur Selbsthilfe und bürgerschaftlichem Engagement wirksam zu unterstützen, muss eine verlässliche und kontinuierliche Unterstützungsstruktur mit Verbindungen zum professionellen Versorgungssystem aufgebaut werden.

 

Neue Entwicklungen im Bürgerengagement (z.B. Bürgerstiftungen, Bürgerbusse, Energie-, Stadtteil- und Versorgungsgenossenschaften) zeigen, dass Teile der Bürgerschaft bereit sind, kommunale und gemeinwohlorientierte Aufgaben dauerhaft zu übernehmen. Dies geschieht zurzeit aber häufig in einem rechtlich ungeklärten Rahmen und unter ökonomisch prekären Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig eröffnet sich hier ein neues, spannendes Feld innovativer und noch kaum erforschter „Bürgerarbeit„.

 

Lichtblick Landesnachhaltigkeitsstrategie

Erfreulicherweise hat die Landesregierung im Entwurf  der Landesnachhaltigkeitsstrategie dieses Thema auf die politische Agenda gesetzt. Künftig sollen Akteure vor Ort dabei unterstützt werden, stärker als bisher Verantwortung zu übernehmen, Ideen und Konzepte im Sinne des Gemeinwohls einzubringen, um so die Daseinsvorsorge zu sichern und die Lebensqualität zu stärken. (MUGV (2013): Entwurf einer Nachhaltigkeitsstrategie für das Land Brandenburg, S. 26).

 

In der am 29.04.2014 von der Landesregierung in Brandenburg verabschiedeten Nachhaltigkeitsstrategie wurde allerdings die Partizipation der Bürger und Bürgerinnen leider nur eingeschränkt berücksichtigt. So kritisiert der Beirat für Nachhaltige Entwicklung (NHB), dass die vorgeschlagenen Maßnahmen sowie die Forderungen aus den Dialogveranstaltungen zur Stärkung nachhaltigen Handelns in den Kommunen nur unzureichend berücksichtigt wurden. Der Beirat ermunterte die Landesregierung ausdrücklich dazu, Partizipation nun im Umsetzungsprozess konkret zu ermöglichen und aktiv zu unterstützen, um der Glaubwürdigkeit der Landespolitik zu dienen.

 

Um Partizipation zu verwirklichen, müssten die Kommunen Handlungs-und Entscheidungsspielräume sinnvoll nutzen können. Es ist notwendig hierzu grundsätzlich neue Ansätze und Wege zu entwickeln. Insbesondere in den Regionen, die besonders vom demografischen Wandel betroffen sind. Dort gilt es, die infrastrukturelle Daseinsvorsorge sowie die Ausgestaltung des gesellschaftlichen Lebens neu zu organisieren. Hier ist der Landesgesetzgeber gefordert, einen ausreichend flexiblen Rechtsrahmen zu bieten.

 

Anforderungen an eine demokratische Dorfpolitik

1Die Bewohner jedes Dorfes, Ortsteils, Großgemeinde oder amtsangehörigen Kleingemeinde sollen über alle kommunalen und ggf. amtsweiten Angelegenheiten, Planungen und Probleme umfassend und regelmäßig informiert werden. Hierzu sind Bürgergespräche und VHS-Kurse zur Bürgerfortbildung und Vertiefung kommunalpolitischer Themen notwendig. Dabei sollen die Großgemeinden, wie sie kommunalrechtlich angehalten sind, organisatorisch und inhaltlich unterstützen. (§ 135  Abs. 2 KV „Aufgaben der Ämter„ sowie § 122 Abs. 2, „ Wesen und  Aufgaben des Landkreises „).

 

2Den Dörfern, Ortsteilen und amtsangehörigen Gemeinden muss das Initiativ– und Antragsrecht im Gemeinderat bzw. im Amtsausschuss übertragen werden.

 

3Zudem müssen die Ortsteile und Kleingemeinden einen lokalen Aufgabenbereich und eigenen „Mini-Haushalt“ zur eigenständigen Erledigung und Bewirtschaftung erhalten. Die Übernahme kommunaler Aufgaben durch Bürgerbetriebe und freie Träger ist rechtlich und finanziell ist zu klären.

 

4Zur infrastrukturellen Unterstützung von Selbsthilfe und Bürgerengagement sollen landesfinanzierte Freiwilligenagenturen bzw. Unterstützungsstellen für bürgerschaftliches Engagement geschaffen werden. Diese begleiten die freiwillige Leistungserbringung der Bürgerschaft im Sozial-und Gemeinwesen sowie im Kulturbereich. Es ist ihre Aufgabe, diese mit dem öffentlichen Versorgungs-und Dienstleistungsbereich abzustimmen.

 

5Eine verstärkte Unterstützung von nicht parteigebundener ehrenamtlicher Bürgerarbeit könnte auch Langzeitarbeitslosen als Qualifizierungsmaßnahme angeboten werden, z.B. die Initiierung und kontinuierliche Vorbereitung von runden Tischen, Wirtschaftsstamm-tischen, Dorfentwicklungstreffen u.ä. bürgergetragenen Initiativen, Artikulationsangeboten, dorfbezogenen Lernaktivitäten. Diese quasi Verstetigung des „Dorfkümmereransatzes“ wäre nicht nur ein Feld gemeinsamer Erfahrungen, sondern kann  auch die Grundlage weitergehender gemeinschaftlicher Projektansätze zur Sicherung der Daseinsvorsorge unter veränderten demografischen Entwicklungen sein.